Der US-Amerikaner Chris Nikic hat Sportgeschichte geschrieben. Der 21-Jährige bewältigte als erster Mensch mit Downsyndrom einen Ironman, so teilte es die Ironman-Marke mit. Nikic absolvierte die 3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Fahrradfahren und einen Marathon am Samstag in Florida innerhalb von 16:46:09 Stunden. "Du bist ein Ironman", rief der Kommentator, als Nikic die Arme hochriss, die Ziellinie überquerte und seinen Trainer und Guide Daniel Grieb umarmte.
Die fast vier Kilometer Schwimmen am Golf von Mexiko bewältigte Nikic in knapp 1:55 Stunden, für die Radstrecke brauchte er rund 8:12 Stunden. Auch Ameisenbisse und ein Sturz, bei dem sich Nikic das Knie aufschlug, konnten ihn nicht aufhalten. Den Marathon absolvierte er in 6:18:48 Stunden. Immer wieder wurde er von Menschen angefeuert, die T-Shirts trugen mit dem Aufdruck "1% Better", getreu seinem Trainingsmotto: "Jeden Tag ein Prozent besser werden."
Belohnt wurde Nikic für seine Leistung im Ziel auch mit dem Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Zudem sammelte er zusammen mit der Ironman Foundation umgerechnet fast 34.000 Euro. Nach dem Rennen, so hatte es Nikic angekündigt, wollte er in einem Nachtklub feiern.
Nikic ist mit der Chromosomenstörung Trisomie 21 auf die Welt gekommen, seine Muskelstärke und Muskelspannung prägten sich nicht wie bei Menschen ohne Downsyndrom aus. Erst nach mehreren Operationen lernte er im Alter von vier Jahren das Laufen. Mit 17 musste er sich vier Ohrenoperationen unterziehen. Mit 18 Jahren wog er über 80 Kilogramm. "Wenn ich so weitergemacht hätte, wäre ich heute wohl bei über 100 Kilo, würde auf der Couch sitzen und Videospiele spielen und meine schwachen Muskeln müssten als Entschuldigung herhalten", sagte Nikic vor dem Ironman.
In seiner Kindheit spielte Nikic gern Basketball, Golf und machte Leichtathletik. Zum Triathlon kam er erst vor etwa zwei Jahren. Durch das Triathlonprogramm des Special Olympic Teams der USA entdeckte er seine Leidenschaft – und nahm sich gleich das größte Ziel vor: einen Ironman. "Ich weiß, dass ich nicht mit einem Topathleten mithalten kann. Aber mit harter Arbeit kann ich stark genug sein, um einen Ironman zu schaffen", so Nikic. Sein Motto: Wenn er einen Ironman schaffe, könne er auch sonst im Leben alles bewältigen.
Als Ironman will Nikic zudem Vorurteile gegen Menschen mit Downsyndrom widerlegen. "Das größte Problem ist, dass die Leute denken, wenn man länger braucht, kann man es nicht", sagt Nikic. Auch sein Trainer hatte im Januar Bedenken, ob Nikic im November einen Ironman schaffen würde. "Dann sagte ich ihm, dass er meinem Sohn die gleiche Chance zum Scheitern geben muss wie allen anderen auch", sagte Nik Nikic, Chris' Vater, laut der Zeitschrift "Triathlon".
Auf der Strecke begleitete Trainer Dan Grieb Nikic dann, beim Schwimmen und Laufen waren beide mit einem Gurt verbunden. Chris Nikic fuhr auf der Radstrecke wegen einer Gleichgewichtsstörung kein aerodynamisches Rennrad, sondern eines mit breitem Lenker.
Improvisierte Ironman-Premiere
Der Ironman in Florida ist nur eines von wenigen Triathlonrennen in diesem Jahr. Nikics offizielle Premiere über die halbe Ironman-Distanz war im Mai wegen der Coronavirus-Pandemie abgesagt worden. Also improvisierte er und absolvierte für sich die 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21,1 Kilometer Laufen. "Aufgeben ist keine Option für Chris", sagte sein Trainer Daniel Grieb.
Mit seiner Leistung verdiente sich Nikic die Anerkennung der Szene. Der amerikanische Triathlonverband schrieb bei Instagram: "Geschichte geschrieben. Wieder einmal erinnert uns Triathlon daran, dass alles möglich ist." Der Weltklasse-Athlet Cameron Wurf, WM-Fünfter von Hawaii 2019, schrieb: "Ich habe Gänsehaut, so unglaublich inspirierend."
Anne Haug, Gewinnerin des Ironman auf Hawaii 2019, hatte schon vor dem Rennen gesagt: "Du bist eine fantastische Inspiration für alle Athletinnen und Athleten da draußen und ein großartiges Beispiel, was man mit Willenskraft erreichen kann."
Und auch Nikic denkt schon weiter. Im kommenden Jahr will er sich ebenfalls der ultimativen Herausforderung stellen: dem Ironman auf Hawaii.
spiegel
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